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  • Miri

NPL - Etappe 6: Namsos bis Mo i Rana (Eurovelo 1 & Inselhopping)

Aktualisiert: 19. Dez. 2022

Auf dieser Etappe erwartete uns einiges, was normalerweise nicht Teil unserer NPL-Tour gewesen wäre. Dadurch, dass wir unsere Route an die Küste verlegt haben, erlebten wir eine komplett andere Landschaft, als im Landesinneren:

Einsame Sandstrände, hellblaues Meerwasser, schöne Schärenlandschaften, kleine Inseln und tolle Küstengebiete!


Unser treuer Begleiter war natürlich auch auf dieser Etappe wieder mit dabei: literweise Regen!



Ab Namsos folgten wir dem Eurovelo 1 - einem Radwanderweg, der von Portugal bis zum Nordkapp an der Westküste Europas entlang führt. Meistens verläuft er hier auf der selben Strecke wie die Küstenstraße Kystriksveien.

Zusätzlich planten wir ein paar Abstecher auf kleine Inseln mit ein.


Da die Küste Norwegens ziemlich zerklüftet ist, kommt man auf dem Eurovelo 1 nicht ohne Fähren voran.  Da der Küstenweg insgesamt aber viel länger ist als der Weg im Landesinneren und wir viele zusätzliche Kilometer durch die Inselbesichtigungen machten, war das für uns okay.


Unsere erste Fähre brachte uns nach Abelvær auf eine kleine Halbinsel. Da wir mit einer Autofähre rechneten, fiel uns das kleine Boot am Hafen erst gar nicht auf. Wäre da nicht ein netter Bikepacker gewesen, hätten wir die Fähre glatt verpasst - und das obwohl wir eine halbe Stunde zu früh dran waren. Das wäre wieder so typisch gewesen.


Das Hurtigbåt war nur für Passagiere. Sogar für unsere drei Fahrräder wurde es eng. Während der Fahrt unterhielten wir uns mit dem Bikepacker, der ungefähr unser Alter hatte. Er fragte uns nach unseren Erfahrungen beim Wildzelten. Er hatte gleich die ersten zwei Male ziemlich Pech und traute sich seitdem nicht mehr. Erst ein starkes Gewitter und dann hatte jemand die ganze Nacht über in seiner Nähe geschossen. Ich dachte zurück an unsere ersten Nächte auf dieser Tour. Obwohl wir uns von Anfang an super wohl fühlten in unserem Zelt, hatten wir in der ersten Zeit einen sehr leichten Schlaf und waren bei jedem unbekannten Geräusch sofort wach. Inzwischen waren wir da viel entspannter geworden. Aber auf Schüsse in der Nacht können wir trotzdem gern verzichten. Wir konnten ihn aber ermutigen, es nochmal zu versuchen. Dann mussten wir uns schon wieder verabschieden. Er fuhr noch eine Station weiter.


Als wir ausstiegen, war die Landschaft direkt ganz anders. Uns es roch nach Meer! :)


Dieser kleine Landzipfel, auf dem wir ankamen, war ziemlich verlassen - kaum Autos und ebenso kaum Häuser und erst Recht keine Wohnmobile. So gefiel uns das. Pünktlich zu unserer Ankunft hörte es auf zu regnen und der Himmel zog auf und ließ ein paar Sonnenstrahlen durch, die alles in ein warmes Licht tauchten. Wir fuhren vorbei an kleinen Buchten, in denen Kühe herum spazierten. Ein ungewohnter Anblick - Kühe am Strand.




Es gefiel uns auf Anhieb super gut! Nur die Zeltplatzsuche verlief ein wenig mühsam, weil fast alle Flächen eingezäuntes Weidegebiet waren, sogar die Strände. Immer wieder fuhren wir kleine Schotterstraßen raus und nach knapp 10 Kilometern wurden wir endlich fündig. Wir mussten zwar ein paar Steine und heruntergefallene Äste wegräumen, doch dann war der Platz einfach perfekt: Unser Zelt stand direkt hinter einem Strand am Waldrand.




Der Boden bestand aus weichem, tiefem Moos und es fühlte sich an, als würden wir auf Wolken liegen.


An diesem Strand gab es auch eine Grillhütte und so verlegten wir das Abendessen dort hin. Eine gute Entscheidung, wie sich kurz später herausstellte, als schon wieder die nächsten Tropfen vom Himmel fielen. Wir zündeten uns ein kleines Lagerfeuer an und gleich wurde es angenehm warm in der Hütte. Es hatte wieder nur 10 Grad den ganzen Tag und wir waren schon ziemlich durchgefroren.




Am nächsten Tag fuhren wir, wie üblich bei Regen, die Halbinsel entlang bis nach Kolvereid, vorbei an einem schönen See.





Danach ging‘s nochmal 25 Kilometer weiter zum Fjølvika Fährhafen. Wobei Hafen eigentlich das falsche Wort dafür war. Wir standen auf einem kleinen Platz, der aussah wie eine Mülldeponie. Berge mit alten Fischernetzen, mehrere Container und Plastiktonnen, dicke Seile und verrostete Stahlketten lagen überall verteilt. Wir konnten gar keine Anlegestelle finden und fragten uns schon, ob wir hier überhaupt richtig sind.



Das Hurtigbåt hält hier nur auf Anfrage. Wir haben gleich mittags angerufen und uns angekündigt und hofften inständig, dass sie es nicht vergessen hatten. Da es ziemlich kalt war (die üblichen 10° C) und zudem ein eisiger, starker Wind wehte, liefen wir die ganze Zeit auf und ab, damit uns zumindest ein bisschen warm wird.


Pünktlich um 18.30 Uhr steuerte dann tatsächlich ein kleines Boot auf uns zu. Erleichterung machte sich breit, dass wir nicht hier übernachten müssen. Da der Anlegeplatz so weit oben war, konnten wir nicht normal aufs Schiff fahren, sondern gelangten über eine Rampe aufs obere Deck. Dann mussten wir aber runter aufs Hauptdeck, da wir von dort später aussteigen mussten. Die Fährmitarbeiter halfen uns die Räder und den Anhänger runter zu heben. Da das Schiff schon gestartet war und es ziemlich schnell fuhr, war das eine wackelige Angelegenheit.



Eine Viertelstunde später mussten wir auch schon wieder aussteigen. Wir waren auf Leka angekommen, der ersten Insel auf unserer Tour. Wir waren schon sehr gespannt - viele Radfahrer hatten uns schon von ihr erzählt.


Unsere Neugierde musste aber bis morgen warten. Jetzt ging es erstmal zum Campingplatz. Der lange Tag und der eiskalte Wind hatten uns heute ziemlich viel Energie gekostet und wir freuten uns nur noch auf unsere Schlafsäcke. Als wir endlich im Zelt lagen, ging es mir nicht gut. Ich war nur noch am Zittern. Flo legte seinen Schlafsack auch noch über meinen, doch ich schaffte es einfach nicht, mich wieder aufzuwärmen. Ich befürchtete schon, ich würde krank werden.


Doch als ich am nächsten Tag aufwachte, fühlte ich mich wieder fit. Vielleicht war die ständige Kälte jetzt einfach zu viel. Gut, dass laut Wetterbericht nun zwei einigermaßen sommerliche Tage vor uns lagen. Flo radelte schnell zum Supermarkt und holte uns Frühstück. Da dem Mitarbeiter ein Puddingteilchen zerbrochen war, bekamen wir es umsonst. So fing der Tag doch schon mal gut an ;)


Heute wollten wir Leka ein bisschen erkunden. Es gab nur eine kleine Singletrack-Straße hier und die führte ringförmig einmal um die Insel.


Nach etwa acht Kilometern erreichten wir unser erstes Ziel - den Årdalssanden Strand.




Wir kletterten noch ein bisschen die Steine am Ufer entlang und erreichten eine zweite schöne Bucht.





Anders als erwartet, war kaum etwas los und wir hatten den Strand fast für uns allein. Wir gingen ein bisschen am Strand spazieren. Das Wasser war total klar und seicht.





Danach legten wir uns auf den Sand in die Sonne. Es war einfach herrlich und tat nach den kalten Wochen so unfassbar gut! Wir hätten noch den ganzen Tag so da liegen können, aber wir wollten ja noch mehr von der Insel sehen.


Wir fuhren weiter durch einsame Landschaften. Nur hin und wieder sahen wir kleine Bauernhöfe. Ansonsten war die Insel nicht sehr besiedelt. Auf einer mitten in der Natur aufgestellten Picknickbank machten wir Mittagspause.




Auf der anderen Seite der Insel änderte sich das Landschaftsbild plötzlich. Die Berge färbten sich rötlich und wurden immer zerklüfteter.






Sie bestehen größtenteils aus Serpentinit und Olivinstein, die man sonst nur auf der amerikanischen Seite des Atlantik findet, las ich später in einem Infoheft. Wir mussten uns immer wieder daran erinnern, dass wir noch in Norwegen waren, weil die Landschaft hier so dermaßen anders aussah.



Alle paar Meter mussten wir stehen bleiben und Fotos machen. Wir konnten uns gar nicht satt sehen an dieser bizarren Landschaft.



An einer Stelle führte die Straße schnurgerade durch einen kleinen Canyon aus roten Steinen hindurch bergauf.



Als wir am höchsten Punkt ankamen, breitete sich auf der anderen Seite ein Panorama aus, das uns sprachlos machte. Man sah bis zur Küste hinunter, an der sich viele kleine Inselchen aneinanderreihten.



Wir kletterten ein Stück seitlich auf die Felsen hoch, um noch eine bessere Aussicht zu haben.






Ein paar Kilometer später waren wir wieder auf der Ostseite von Leka, wo sie wie eine normale kleine Küsteninsel aussah. Abends fiel uns dann auf, dass heute der erste Tag seit langem ohne Regen war!


Der nächste Tag war ein wichtiger Tag für uns und unsere Weiterreise. Heute wollten wir wandern gehen. Die erste Wanderung seit meiner Verletzung. Und

damit die erste Wanderung seit über 6 Wochen! Ich bin fast ein wenig erschrocken, dass es tatsächlich schon so lange her ist. Gleich nach dem Frühstück starteten wir. Das Wetter war perfekt. Für einen kurzen Moment fühlte es sich ungewohnt an, als wir unsere Wanderstiefel schnürten. Doch schon nach ein paar Metern war es, als hätten wir nie Pause gemacht. Es ging viel über Geröll. Aber auch ein paar sumpfige Abschnitte waren nach dem vielen Regen dabei. Gleich von Anfang an hatten wir richtig tolle Ausblicke auf das Meer und die benachbarten Inseln. Nur die ständig um uns herumfliegenden Bremsen machten den Aufstieg etwas unentspannt.



Die Aussicht vom Gipfel war dann gigantisch! Da der Vattind der höchste Berg der Insel ist, hatten wir einen tollen 360°-Rundumblick. Wir sahen ganz in der Ferne die Insel Vega und die Bergkette „die Sieben Schwestern“ und etwas näher den markanten Gipfel des Heilhornet. Das Meer lag ruhig und tiefblau vor uns und erstreckte sich bis zum Horizont.





Das Gefühl, das man bekommt, wenn man auf einem Gipfel steht, ist immer wieder magisch!

Und das Beste: Meine Füße haben den Aufstieg schon mal gut mitgemacht!

Wir ließen uns Zeit oben und machten erst mal eine kleine Gipfel-Brotzeit.






Zurück am Campingplatz ließen wir den Tag mit Biergartenfeeling und Obazda ausklingen. Darauf hatten wir bei diesem Sommerwetter schon den ganzen Tag Lust.



Kurz darauf ließ uns ein plötzlich einsetzender Platzregenschauer ins Zelt flüchten. Fast hätte der Juli noch einen zweiten regenfreien Tag geschafft, aber eben nur fast.



Am nächsten Morgen ging’s dann schon wieder zurück aufs Festland. Wir überquerten die Halbinsel Austra und folgten dann wieder dem Kystriksveien weiter nach Norden. Den ganzen Tag hatten wir eine wunderbare Sicht auf den Heilhornet und seine zwei Nachbargipfel. Wie gerne hätten wir den auch noch bestiegen, aber wir wollten es ja langsam angehen lassen. Dafür wanderte er auf unsere Gipfel-to-do-Liste.





Auch durch ein paar Tunnel mussten wir heute durch. Zum Glück war wenig Verkehr. Innen war es gleich um einige Grad kälter und wir waren jedes Mal froh, wenn wir wieder draußen waren.



Die letzten Kilometer fuhren wir dann direkt an der Küste entlang. Dann standen wir auch schon am nächsten Fährhafen.




In einer 20-minütigen Fahrt ging es nach Vennessund auf die Sømna Halbinsel. Für den kleinen Hunger gab es schnell eine Brunost-Waffel.




Auf der anderen Seite wurden wir wieder mit Regen empfangen. Damit gab es jetzt tatsächlich den kompletten Monat nur einen regenfreien Tag. Keine schöne Bilanz. Wir setzten alle unsere Hoffnungen in den August…


Am Hopensee stellten wir dann unser Zelt auf. Der See sah durch den grauen Regenschleier irgendwie mystisch aus.




Zum eh schon nervigen Regen gesellten sich noch nervigere Kriebelmücken. Deshalb gab’s nur schnell eine Tüte Trekkingessen und eine Packung Gummibärchen als Abendessen.




Die ganze Nacht über hielt uns laut trommelnder Starkregen wach und auch am Morgen wurde er nicht leichter. Wir hatten so gar keine Lust, bei diesem Wetter unsere Schlafsäcke zu verlassen. Als wir unsere Zelttür öffneten, erschraken wir erst mal: Wir standen komplett unter Wasser!




Die Zeltwände waren voller Schlamm, der durch den starken Regen vom Boden hoch gespritzt war. Unser armes Zelt muss schon ganz schön was aushalten auf dieser Tour…


In voller Regenmontur verließen wir dann das Zelt und packten es zusammen mit einigen Litern Regenwasser ein. Ohne Frühstück fuhren wir weiter. Wir hatten mal wieder nicht genügend Wasser übrig. Die Trinkwasserversorgung war an der Küste nicht gerade einfach, weil immer alles Salzwasser war. Auch dieser See war leider Brackwasser. Aber in sechs Kilometern kam ein Supermarkt, der uns Hoffnung auf ein Frühstück im Trockenen machte.


Das Fahren machte absolut keinen Spaß. Schon nach kurzer Zeit waren wir komplett durchnässt und in meinen Schuhen stand das Wasser. Tropfend betraten wir dann den Supermarkt. Zum Glück gab es eine kleine Sitzecke. Wir beobachteten, wie das Regenwasser draußen wasserfallartig vom

Tankstellendach floss.




Als wir weiterfuhren, standen schon Teile der Straße unter Wasser. Die Auto- und LKW-Fahrer waren heute wohl auch nicht in der Stimmung, rücksichtsvoll zu fahren. Keiner bremste ab und jedes Mal traf uns seitlich ein Schwall Wasser. Unsere Finger waren so kalt, dass wir nicht mehr richtig schalten konnte. Wir holten unsere Handschuhe raus. Sie waren zwar nicht wasserdicht und wir mussten sie alle paar Kilometer auswringen, aber sie hielten zumindest ein bisschen warm.




Irgendwann kamen wir in einen seltsamen Flow. Wir fuhren einfach stur immer geradeaus, kein links oder rechts schauen, keine Fotostops, kein Landschaft-Bewundern. Den Blick immer nach unten auf den Asphalt gerichtet und immer weiter in die Pedale treten ohne viel darüber nachzudenken.

Da wir schon komplett durchnässt waren, war eh alles egal - wieso sollten wir den Pfützen eigentlich noch ausweichen? Also nahmen wir ab jetzt einfach jede Pfütze mit und es machte sogar richtig Spaß, wie das Wasser zu beiden Seiten hochspritze.


40 Kilometer später standen wir auf dem Mosheim Campingplatz und fragten nach einer Hütte. In unserem triefend nassen Zelt wollten wir heute echt nicht schlafen. Zu unserem Entsetzen waren aber alle Hütten schon voll. Das konnte doch jetzt nicht wahr sein… Weiterfahren kam eigentlich auch nicht in Frage. Bis zum nächsten Campingplatz wäre es zu weit. Also stellten wir widerwillig unser Zelt neben einem großen Holzbären auf. Der ganze Campingplatz war voller skurriler Figuren. Es gab zum Glück eine kleine Küche und so kochten wir uns erst Mal Tee zum aufwärmen.




Als wir dann unsere Streckeninfos von heute aufschrieben, fiel uns überrascht auf, dass wir die 1500 Kilometer geknackt hatten. Wahnsinn! Das bedeutete auch: schon über 1000 Kilometer mit dem Fahrrad! Nach Feiern war uns aber heute irgendwie nicht und so verschoben wir das auf morgen früh.


Am Abend tauschten wir uns noch mit ein paar anderen Radreisenden aus. Gespräche beginnt man hier immer mit der Frage, ob man von Norden kommt oder nach Norden fährt, so viel haben wir schon gelernt ;) Direkt danach folgt das obligatorische Schimpfen übers Wetter. Da schlossen wir uns gerne an. Wir erzählten inzwischen meistens nur, dass wir in Lindesnes gestartet sind und ließen den Teil mit dem Wandern und der Verletzung aus, da wir sonst immer so lange ausholen müssten. Ein Österreicher, der vom Nordkapp nach Gibraltar fuhr, sprach uns dann am nächsten Morgen allerdings auf unsere Rucksäcke an, als wir gerade den Anhänger bepackten. Also rückten wir doch noch mit der ganzen Geschichte raus und er war richtig begeistert. „Des gfoid ma“ sagte er immer wieder.


Zum Frühstück gab’s dann doch noch ein 1500-Kilometer-Foto:



Gegen Mittags waren wir dann am Hafen und warteten auf die Fähre nach Vega, unserer nächsten Insel. Wir waren eine Stunde zu früh dran und konnten auf einer Steinbank die Sonne genießen. Es hatte zwar trotzdem nur 12 Grad, aber wir wollten jeden Sonnenstrahl aufsaugen, da es ab morgen schon wieder schlecht werden würde.



Die Fähre war - wie alle Autofähren hier - für Radfahrer wieder kostenlos. So konnten wir das gesparte Geld stattdessen für eine Waffel und einen Brunost-Pfannkuchen ausgeben :)


Vom Fähranleger in Vega hatten wir noch etwa 20 Kilometer zu unserem heutigen Ziel: die Strände und Buchten bei Eidem im Südwesten der Insel. Schon die Strecke dorthin war richtig schön. Es ging vorbei an einigen Seen und Buchten - immer mit Blick auf den höchsten Berg der Insel, dem Trollvasstinden.